Änderungsbedarf bei bestehenden Testamenten aufgrund neuer Bewertungsvorschriften

Die sogenannte „Störfallvorsorge“ ist zentrales Element bei der Ausarbeitung und Konzeption von Testamenten. Es gilt zu prüfen, ob das, was die Testierenden wünschen, tatsächlich auch erreicht werden kann. Hierbei gibt es mehrere Aspekte zu berücksichtigen, etwa, ob im Rahmen der Testierfreiheit frühere bindende Testamente bestehen, ob ausländisches Recht oder Gesellschaftsrecht anzuwenden ist und ob Pflichtteilsansprüche einen sicheren Vermögensübergang gefährden können.

Einer der wesentlichen Aspekte ist dabei auch die Prüfung, ob Erbschaftssteuer anfällt und ob diese, sofern sie anfällt, bedient werden kann. Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass vererbtes Vermögen belastet oder gar verkauft werden muss, um Steuerforderungen gerecht werden zu können.

Zum 01.01.2023 haben sich die Regelungen zur Bewertung von Immobilien insbesondere auch im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungssteuer geändert. Die Änderung bringt es mit sich, dass  Immobilien nunmehr fiskalisch höher bewertet werden, als dies noch nach altem Recht bis zum 31.12.2022 der Fall ist.

Vor diesem Hintergrund kann empfohlen werden, bestehende Testamente zu überprüfen, ob die   seinerzeit angenommen Werte nun durch Neubewertungen nicht zu unerwünschten Folgen führen. Dabei führt es oftmals dazu, etwa beim Berliner Ehegattentestament von Ehegatten, dass sich im Fall des Todes eines Ehegatten nicht unbedingt Änderungsbedarf ergibt. Gerade unter Ehegatten be-stehen zahlreiche steuerliche Vergünstigungen so wie den derzeit höchsten Freibetrag in der Erbschaftssteuer von € 500.000,00 unter Ehegatten, die steuerfreie Berücksichtigung von Zugewinn,  sofern die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, einen Versorgungsfreibetrag von bis zu € 256.000,00, insbesondere jedoch auch die Möglichkeit der Übertragung der selbst genutzten Familienwohnung, welche steuerlich gänzlich ohne Ansatz bleibt, auch unabhängig vom Verkehrswert, wenn der überlebende Ehegatte dort nach dem Tod des ersten Ehegatten noch mindestens zehn Jahre lebt.

Anders sieht es sodann jedoch aus, wenn der zweite Ehegatte verstirbt und dessen Vermögen etwa auf gemeinsame Kinder übertragen wird, so wie es das Berliner Ehegattentestament vorsieht. In   diesem Fall wirkt sich nunmehr die höhere Bewertung von Vermögen aufgrund der Änderung zum 01.01.2023 aus, da nun, anders als zuvor, höhere Werte übertragen werden. Die Befreiungsmöglichkeiten von Kindern gegenüber Elternteilen sind im Erbfall dabei nicht gegeben, wie dies etwa unter Ehegatten der Fall ist.

Somit macht es Sinn, sich über bestehende Testamente Gedanken zu machen. Möglich sind nun die Abänderung und Anpassung bestehender Testamente an die nun geltenden Tatsachen und Um   stände. Es kann daran gedacht werden, etwa Kindern bereits im Erbfall des ersten Elternteils im Vermächtnisweg Gegenstände aus dem Nachlass zukommen zu lassen, damit die Freibeträge in der Erbschaftssteuer der Kinder gegenüber beiden Elternteilen genutzt werden können. Auch eine Umstrukturierung etwa bestehender Berliner Ehegattentestamente hin zum Württembergischen Testament ist denkbar. Hierbei werden Kinder, nicht der Ehegatte, zum Erben eingesetzt und der über- lebende Ehegatte seinerseits wiederum durch Vermächtnisansprüche abgesichert. Auch hierdurch lässt sich eine Vermögensnachfolge unter Ausnutzung sämtlicher Freibeträge und intelligentem Auf-teilen des Nachlasses erzielen.

Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit der Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten. Insoweit gilt, dass beispielsweise Kindern alle zehn Jahre ein Wert von € 400.000,00 verschenkt werden kann, ohne dass hierfür Schenkungssteuer anfällt. Hierzu können wiederum Vorteile im Rahmen der Bewertung genutzt werden, wie etwa der Abzug von vorbehaltenen Nießbrauchsrechten sowie anderweitige Bewertungen für den Fall, dass Immobilien, welche übertragen werden, vermietet sind.

Es lohnt sich somit, sich aufgrund der aktuellen Umstände Gedanken über bestehende Testamente zu machen.